Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat eine Anordnung der Stadt Fulda bestätigt, wonach die dort ansässige Handelskette Tegut ihre zunächst rund um die Uhr die ganze Woche lang geöffneten Mini-Supermärkte “Teo” an Sonn- und Feiertagen schließen muss. Ein durchgehendes Verkaufsangebot verstößt den Kasseler Richtern zufolge gegen das Ladenöffnungsgesetz des Bundeslandes, auch wenn die Digital-Spätis generell ohne Kassenpersonal auskommen und an Sonn- und Feiertagen Regale auch nicht manuell nachgefüllt werden. Verkaufsstellen, die von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilhalten, müssen demnach an Ruhetagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein.

Der Streit mit der Fuldaer Stadtverwaltung zieht sich schon länger hin. Am 8. Oktober 2021 verfügte diese gegenüber Tegut mit sofortiger Wirkung, die auf dem Gebiet der Kommune aufgestellten Verkaufsmodule an Sonn- und Feiertagen zu schließen. Hiergegen wandte sich der Händler mit einem gerichtlichen Eilantrag, den das Verwaltungsgericht Kassel Anfang 2022 ablehnte (Az.: 3 L 1734/21.KS). Der VGH hat diese Entscheidung nun mit einem am Donnerstag bekanntgegebenen Beschluss vom 22. Dezember bestätigt (Az.: 8 B 77/22). Er begründet dies etwa damit, dass das Ladenöffnungsgesetz keinen persönlichen Kontakt mit einem Verkäufer voraussetze. Es mache für das Feilhalten von Waren keinen Unterschied, ob der Kunde das begehrte Produkt aus einem Automaten oder aus einem Verkaufsregal beziehungsweise -tisch an sich nehme.

Richtig ist dem 8. Senat zufolge zwar das Argument von Tegut, dass bei einem Verzicht auf den Einsatz von Verkaufspersonal das dem Ladenschlussrecht zugrunde liegende Ziel des Arbeitnehmerschutzes erreicht werde. Das Ladenöffnungsgesetz verfolge aber auch das Anliegen, die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Zeit “der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zu schützen”. Der Einkauf in Teo-Märkten sei auch nicht mit durchgängig möglichen Online-Bestellungen zu vergleichen: Diese hätten “keinerlei Außenwirkungen” und seien daher nicht geeignet, “die Sonn- und Feiertagsruhe der übrigen Bevölkerung zu beeinträchtigen”.

IMHO: Sehr inkonsistente Argumentation, da:

  • kein eindeutiges Abgrenzungskriterium solcher Selbstbedienungsmärkte gegenüber Automaten existiert
  • ein räumlich abgeschlossener Selbstbedienungsmarkt m.E. deutlich weniger “Außenwirkung” bzw. Belästigung gegenüber Anwohnern als entsprechende Automaten bewirkt
  • die ladenschlussrechtlichen Begriffe der “Arbeitsruhe und seelische Erhebung” als Schutzkriterien gedacht werden sollten, die ausschließlich dem Schutz der Angestellten zu dienen haben - dem reinen Anwohnerschutz kann ausreichend durch das BImSchG Rechnung getragen werden

Wie seht ihr die Sache? Haltet ihr das strenge deutsche Ladenschlussrecht überhaupt für zeitgemäß / angemessen?

PS: In diesem Zusammenhang auch interessant, in wieweit zukünftig reine “Elektrotankstellen” ladenschlussrechtlich ggf. privilegiert sein könnten (Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des BT)

  • nicerdicer@feddit.de
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    11 months ago

    Haltet ihr das strenge deutsche Ladenschlussrecht überhaupt für zeitgemäß / angemessen?

    Mittlerweile ist es ja so, dass Supermärkte z.T. bis um 21 Uhr geöffnet haben, und ich finde, dass dies durchaus ausreichend ist. Das war noch vor einigen Jahren ganz anders - da waren die Öffnungszeiten eher nach der Lebensführung der 60er Jahre orientiert (teiweise sogar mit Mittagspause). Wünschenswert fände ich es, wenn die Öffnungzeiten, die in jedem Bundesland individuell geregelt sind, vereinheitlicht wären.

    Dieser konkrete Fall aber:

    Könnte es nicht sein, dass sich ein Wettbewerber von Tegut an die Stadt gewandt hat, um zu verhindern, dass Tegut mit seinen Selbstbedienungsmärkten sich einen Wettbewerbsvorteil verschafft, in dem diese SB-Märkte unabhängig von Öffnungszeiten und Feiertagen dem Kunden zur Verfügung stehen?

    Der Wettbewerber hat vielleicht keine Ambitionen, ein ähnliches Konzept auf die Beine zu stellen. Somit soll es anderen dann nicht gestattet sein, im Rahmen eines vollautomatisierten Service die Kunden zu versorgen und zu halten. Das Ladenschlussgesetz dient nur als Vehikel, dann wie schon genannt wurde: Es ist kein Personal vor Ort, das vor eventuellen Arbeitseiten geschützt werden muss.

    • bob_lemon@feddit.de
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      11 months ago

      Mittlerweile ist es ja so, dass Supermärkte z.T. bis um 21 Uhr geöffnet haben

      Sag mir, dass du aus Bayern bist ohne zu sagen, dass du aus Bayern bist.

      Öffnungszeiten bis 22 Uhr für Supermärkte sind in Baden Württemberg mittlerweile die Norm, in Städten ist 24 Uhr auch nicht unüblich.

      • nicerdicer@feddit.de
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        11 months ago

        Ich bin tatsächlich aus Niedersachsen. In meiner Stadt hat mein Stamm-REWE bis 21 Uhr geöffnet. Er befindet sich allerdings in einem Einkaufszentrum. Vielleicht schließt er deshalb vermeintlich früher. Bei anderen Läden weiss ich es nicht, wie lange die geöffnet haben, weil ich eigentlich immer am frühen Abend einkaufe. In Bayern, da war ich erst letzte Woche, schließen die Läden bereits um 20 Uhr.

        • onion@feddit.de
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          11 months ago

          Und ich hab mich geärgert dass nach Umzug mein neuer Rewe nur noch bis 22- statt 23Uhr offen hat

      • federalreverse-old@feddit.de
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        11 months ago

        In Bayern sind in der Regel nur Öffnungszeiten bis 20:00 erlaubt. Ausnahmen sind Märkte in Bahnhöfen und Tankstellen.